Die Sprache der Schweine

Die Kuh macht „Muhh“, das Schaf macht „Mähh“ und das Schwein macht „Oink“. Von Kindesbeinen an bekommen wir beigebracht, welche Laute die verschiedenen Tiere von sich geben. Doch was sie bedeuten, wissen wir nicht. Dank Prof. Dr. Elodie Mandel-Briefer (Expertin für Bioakustik) und ihrem Team sind wir der Erforschung der Tiersprache jedoch einen Schritt nähergekommen. Nach jahrelanger Forschung ist es erstmals gelungen, die emotionale Bedeutung von Schweinelauten zu entschlüsseln. Die Ergebnisse spiegeln eine traurige Wahrheit wider, die jedoch auch überrascht.
Mit Hilfe von KI (künstlicher Intelligenz) entwickelten die Forscher einen Algorithmus, dem antrainiert wurde, den unterschiedlichen Schweinelauten die vorgegebenen Emotionen „glücklich“, „aufgeregt“, „ängstlich“ oder „gestresst“ zuzuordnen. „Wir haben den Algorithmus so genau trainiert, dass er mit einer Genauigkeit von 92 Prozent unterscheidet, ob sich ein Schwein in einem positiv-glücklichen oder negativ-ängstlichen Zustand befindet“, erklärt Mandel-Briefer. Dabei konzentrierten sich die Forscher vor allem auf die Dauer der Laute, die Frequenz, die Tonhöhe und die Lautstärke. So sind nach Angaben der Experten zum Beispiel positive Laute relativ kurz, während sich Stresslaute aus langgezogenen Tönen mit hohen Frequenzen zusammensetzen. Insgesamt fanden die Forscher 19 Abstufungen von Schweinelauten, mit denen die Tiere je nach Situation ihre Gefühle ausdrücken.
Welche Rolle spielen die Haltungsbedingungen?
Nachdem im ersten Forschungsabschnitt unter Laborbedingungen 7.000 Audioaufnahmen von 411 Schweinen aufgenommen und Emotionen der Tiere zugeordnet wurden, ging es im zweiten Teil in die Mastbetriebe. Das Ziel: Erfahren, wie sich die unterschiedlichen Haltungsbedingungen – konventionell, ökologisch und freilaufend – auf das Wohl der Schweine auswirken. Dafür wurden in drei Bio-, zwei Freiland- und sechs konventionellen Schweinemast-Betrieben in Deutschland und Dänemark Aufnahmegeräte angebracht. Über einen Zeitraum von sieben Tagen wurden jeweils 15 Minuten pro Stunde aufgezeichnet. Nach über 14 Monaten Analysezeit konnte das 16-köpfige Forscherteam die 15.425 Schweinerufe aus 1.140 Stunden Audiomaterial erfolgreich übersetzen.
Konventionelle Haltung
Bei den Betrieben mit konventioneller Haltung kamen die Experten zum traurigen Ergebnis, dass die Tiere fast die Hälfte ihres Lebens negative Empfindungen haben. Sie maßen einen durchschnittlichen Stresspegel von 28 bis 41 Prozent sowie weitere Laute, die auf Angst, Schmerz, Wut oder Frustration hindeuten. "Das bedeutet, die Hälfte der Laute, die Schweine von sich geben, weisen auf Stress oder Schmerzen hin", erklärt Mandel-Briefer. Mögliche Gründe dafür könnten lange Isolationszeiten oder Streit ums Essen sein, so die Wissenschaftlerin.
Biohaltung
Überraschend waren hingegen die Resultate aus der Biohaltung, in der ein Außenbereich für Schweine vorgeschrieben ist und jedes Schwein statt 0,65 qm mindestens 2,3 qm Platz zur Verfügung haben muss. Nur bei einem Hof wurden wenige Stresslaute (8 %) und viele zufriedene Schweinelaute gemessen. Bei allen anderen lag der Anteil an Stresslauten bei 44,2 Prozent und höher: „Der letzte von uns analysierte Betrieb ist sogar noch schlimmer, was das Stresslevel angeht: 56 Prozent Stresslaute“, betont die Fachfrau für Bioakustik. Dem Studienergebnis zufolge scheint das Wohl der Tiere auf Bio-Höfen besonders vom Management der einzelnen Bauern abzuhängen.
Freilandhaltung
In der Freilandhaltung, der Haltungsform mit den besten Lebensbedingungen, fühlen sich die Schweine – wenig überraschend – am wohlsten. Nach Mandel-Briefer zeigen die Tonaufnahmen, dass diese Schweine zwischen 69-86 % der Zeit glücklich sind. Die wenigen Stresslaute, die gemessen wurden, führt die Bioakustik-Expertin auf kleine Auseinandersetzungen bei der Futtersuche zurück.